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Amerikanische Weintrauben in Fels 1899

In Niederösterreich trat die Reblaus im Weinbaugebiet Donauland erstmals 1867 auf. Zur Schädlingsbekämpfung wurden sogenannte "Unterlagsreben" aus Amerika wie Vitis riparia, Vitis berlandieriVitis rupestris oder Vitis cinerea mit heimischen Edelreisern veredelt. Die Reblaus kam 1896 auch über die Weingärten in Fels.

Auf Initiative des Oberlehrers Peter wurde für die Volksschule Fels 1896 ein Schulgarten angekauft. Die Volksschüler und die Schüler der landwirtschaftlichen Fortbildungsschule verwendeten 1897 für die Rebveredlung amerikanische Unterlagsreben. Die ersten Trauben an diesen Weinreben reiften im Schulgarten 1899. Dies war zeitgleich mit den Trauben aus der Erstveredelung amerikanischer Reben des Musterweingartens des Wirtschaftsbesitzers Franz Ehrentraut, dem Obmann des landwirtschaftlichen Casinos Fels.

Der Schulgarten in Fels 1897 und die amerikanische Unterlagsrebe

Die Aufzeichnungen des Oberlehrers Peter aus der Schulchronik zum Thema Weinreben und Obstbäume im Detail:

"… [Im Nov. 1896] beschloss auch über Anregung des Oberlehrers Wilhelm Peter der Ortsschulrath (Johann König Obmann, Johann Überacker, Johann Huber, Johann Schober u. Ignaz Planner) einen Schulgarten für die Schule und den landwirtschaftlichen Fortbildungscurs beizustellen bei dem Hause Nr. 1 am Müllergraben zwischen Fels - Thürnthal bei der St. Johannes-Statue im Ausmaß von 1200 m². Von dieser Ackerfläche wurden noch im Dezember 1896 300m² bis70 cm tief für die Pflanzung der amerikanischen Rebe rigolt.- gezahlt wurde 10 kr. für das m². …

Mit Beginn des Schuljahres 1897 wurde der bereits eingezäunte Schulgarten bepflanzt mit 800 Stück veredelten amerikanischen Wurzelreben, von denen 500 Stück gut verwachsen, ferner 1100 Stück Schnittreben (amerikanisch) 9 Stück mehrjährige veredelte Reben, 43 Hoch- u. Mittelstämme (Birnen, Äpfel, Weichsel, Kirschen, Aprikosen, Pfirsiche) 100 einjährige Äpfel, u. 100 einjährige Birnenwildlinge, von denen 80 vom Oberlehrer veredelt wurden und alle Veredlungen gekommen sind. 10 Stachelbeere und 10 Johannesbeersträucher wurden ebenfalls eingepflanzt, alles übrige wurde mit Gemüse bepflanzt. …

Im Schulgarten wurden 500 Äpfel- und Birnenwildlinge eingesetzt, 150 solcher Wildlinge wurden vom Vorjahr am Stand veredelt. 120 veredelte amerikanische Wurzelreben wurden zu einem Weingarten im Schulgarten ausgesetzt, die anderen zu Gunsten des löbl. Ortsschulrathes verkauft. Im Schulgarten wurde im Frühjahr 1898 - 3000 Stück Riparia portalis (Schnittreben) eingelegt, welche zuerst alle kamen, 400 Veredlungen der Vitis rupestris monticola, Wurzelreben und Riparia portalis wurden ebenfalls von Schülern der landw. Fortbildungsschule gemacht und im Schulgarten eingelegt, welche mit wenigen Ausnahmen alle gut anwachsen.

Von den vorjährigen Baumveredlungen wurden bei 52 Stück am Zaun und an den Gängen des Schulgartens als Formbäume verpflanzt. Oberlehrer Wilhelm Peter kaufte für 2 fl. von seinem Gelde 1 Stück Napoleon Butterbirne, 1 Stück Winterdechanatsbirne u. 4 Stück Ananasmarillen für den Schulgarten als Sortenbäumchen. Auch wurde zur Vermehrung der Johannisbeerensträucher 20 Stück Setzlinge erzielt. …

Im April [1899] erhielt die Schule über Ansuchen des Oberlehrers Peter vom Landesobstbauverein 200 Stück Birnenwildlinge zu mäßigem Preise. Durch die Schüler von der 4. Classe wurden diese Wildlinge in den Schulgarten eingepflanzt, so auch circa 400 Apfelwildlinge umgeschult und 400 Stück Apfel u. Birnenwildlinge pinciert und umgeschult. 400 Stück Wildlinge (Äpfel, Birnen) wurden veredelt zu Stammbildnern und Sortenbäumen auf Zwergunterlagen. Die Veredlungen zu Stammbildnern gelang den Schülern ausnahmslos, die Sortenveredlungen versagten zu mehr als 50 %, was wohl in den theilweisen vertrockneten Edelreisern seinen Grund hatte. …

Im heurigen Jahr [1899] reifen schon im Schulgarten die ersten Trauben an den von den Schülern der eingegangenen landw. Fortbildungsschule veredelten amerikanischen Unterlagen. Es sind dies die ersten Trauben auf solcher Unterlage in ganz Fels-Thürnthal mit Ausnahme des Wirtschaftsbesitzers Franz Ehrentraut der zur selben Zeit der Erstveredlung einen Musterweingarten mit veredelten amerikanischen Reben anlegte. Die Reben erhielt er aber vom hohen Landesauschusse unentgeltlich verabfolgt. …

Der Schulgarten wird durch den Hr. Oberlehrer mit den Knaben der 3. u. 4. Cl. gepflegt und die Bäumchen veredelt. Für größere Erdarbeiten bestellte der löbl. Ortsschulrath einen Taglöhner. Im heurigen 1900 Jahre gelangen die Rebveredlungen sehr gut, so das Rupestris [die amerikanische Unterlagsrebe Vitis rupestris] die Gutedel & Muskateller zu 90 % gut verwachsene Stöcke gaben. ..."

Vortreibhaus von 1904 und 1909

Ein Treibhaus zum Vortreiben der Weinreben wurde 1904 in Fels errichtet ein zweites im Jahr 1909. Diese gemauerten Hütten waren beheizbar und schützten die Setzlinge vor Frost bis diese gross genug waren um in der Rebschule angepflanzt zu werden.

Nach diesen ersten Versuchen im Jahre 1896 wurde die Veredlung der Reben nicht mehr stark betrieben. Vielmehr bemühte man sich, die Reblaus mit verschiedenen chemischen Mitteln wie Schwefelkohlenstoff zu bekämpfen. Diese Versuche dauerten noch bis 1918 aber führten nicht zum Erfolg. Im Jahr 1904 begannen auf Initiative des Bürgermeisters nun die Weinbauern vollends, amerikanische Unterlagsreben zur Veredlung zu verwenden. Auf Vorschlag des Franz Ehrentraut wurde 1904 ein Treibhaus zum Vortreiben der Weinreben errichtet und zu 80 Prozent von der Gemeinde subventioniert. Der Bau wurde entsprechend den Weisungen des Weinbauinspektors Franz Kober aus Klosterneuburg hergestellt und auf dem von der Gemeinde angekauften Grundstück errichtet. Die Reben wurden Mitte Mai 1904 gemeinschaftlich in Kompanie veredelt. Dabei veredelten die Hauer innerhalb von 10 Tagen an die 30.000 Stück Reben. Nach 14 Tage langem Vortreiben im Treibhaus wurden diese auf 5 Plätzen eingeschult. Im Jahre 1909 wurde ein zweites großes Treibhaus gebaut, das ebenfalls gut angenommen wurde.  Die von der Reblaus befallenen Weinstöcke wurden nach und nach entfernt und durch die amerikanischen Reben ersetzt.

Quelle: Land-Zeitung vom 7. Mai 1904, Seite 4